Haushaltsrede der Kreistagsfraktion 2023

Entlastungen für soziale Infrastruktur, Bürger*innen und Eingliederungshilfein Krisenzeiten

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Damen und Herren,

bei der Einbringung des Haushalts hat der Kämmerer sich auf die biblische Josephsgeschichte bezogen und dabei von den sieben fetten und sieben mageren Jahren gesprochen. Vordergründig scheint das eine treffende Analogie zur finanziellen Lage der Kreisfinanzen zu sein. Allerdings sind bei uns die Kornspeicher schon nach zwei Jahren leer.
Und was uns im Gegensatz zu den alten Ägyptern überkommt, ist keine Naturkatastrophe, sondern sind die Folgen einer katastrophalen Politik der falschen Entscheidungen und Unterlassungen der Bundespolitik über Jahre und Jahrzehnte.
2008 stellte sich Kanzlerin Merkel aus Rücksicht auf Putin quer, als die Amerikaner die Ukraine in die NATO aufnehmen wollten. Die Ukraine wurde stattdessen Beitrittskandidatin und damit lieferte man Putin sogar noch einen propagandistischen Vorwand für einen Angriff.
Die Bundesregierung von CDU und vor allem SPD stieß viele Partner mit ihrer russlandfreundlichen Politik vor den Kopf und trieb auch nach der russischen Invasion der Krim und trotz des Klimawandels noch Nordstream 2 voran. Deutschland wurde von billigem russischen Gas abhängig.
Der rot-grüne Atomausstieg wurde trotz Tschernobyl 2010 rückgängig gemacht, und 2011 nach Fukushima umso schneller wieder eingeführt. Damals drohte ein bayerischer Umweltminister Söder mit sofortigem Rücktritt, wenn Deutschland nicht spätestens 2022 aus der Atomkraft aussteige. Dieser Tage möchte er ja nicht nur alte AKWs wieder aktivieren, sondern sogar neue bauen und ist damit in der Union nicht allein – bis zum nächsten Störfall, nehme ich an.
Das Thema AKW-Neubau kommt überhaupt nur auf, weil die CDU-geführten Bundesregierungen zwar seit 2011 ein AKW nach dem nächsten abschalteten, den gleichzeitig nötigen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien sowie des Stromnetzes aber unterließen und die heimische Photovoltaikindustrie förmlich an die Wand fuhren.
Und so ließe sich weiter fortfahren: Die Infrastruktur ließ man verkommen, in die Deutsche Bahn wurde zu wenig investiert usw. Der Scherbenhaufen in unserem Land ist riesig und das Aufräumen wird länger als nur eine Wahlperiode dauern.

Mein Punkt ist: In den fetten Jahren der Vergangenheit wurde in Deutschland keine Vorsorge betrieben, um auf den Kämmerer zurückzukommen. Und das trotz vergleichsweise ruhiger Zeiten, entspannter Haushaltslage und einer satten parlamentarischen Mehrheit.
Diese Fehler und Versäumnisse lasten schwer auf den Kommunen und auch auf diesem Haushalt, der von den Folgen des Ukraine-Kriegs, der Energiekrise und der Inflation gekennzeichnet ist.

Darüber hinaus beteilige ich mich auch dieses Jahr nicht an dem üblichen Ritual vieler Haushaltsreden, in denen vorzugsweise entlang der Hackordnung in der kommunalen Familie wegen Aufbürdung zu hoher finanzieller Lasten aufeinander eingedroschen wird, also: Kommunen auf den Kreis, die Kreise auf dem Landschaftsverband und alle zusammen auf Land und Bund. Aber ich bin mir fast sicher, das übernimmt heute noch jemand anders.

Trotz der knappen Kassen nehmen wir mit diesem Haushalt eine ganze Menge Geld für die richtigen Ausgaben in die Hand.
Wir bauen weiter den ÖPNV aus, auch wenn der Kämmerer und die Kommunen wegen der Kosten grummeln. Ich bin froh, dass in dieser Frage der Konsens im Kreistag anhält. Es wird dauern, bis sich das Mobilitätsverhalten der Menschen im Kreis nach Jahrzehnten des ÖPNV-Kahlschlags ändert. Die Anzahl der Fahrzeuge pro Einwohner im Kreis steigt gegenwärtig immer noch an, wie ebenfalls im Haushalt nachzulesen ist. Wir müssen also einen langen Atem haben und mit der von der GRÜNEN Fraktion beantragten Öffentlichkeitsarbeit die Menschen für den ÖPNV zurückgewinnen.
Gleiches gilt für die Radwege, die weiter ausgebaut werden müssen, auch wenn dies oft eher an Grundstücksgrenzen als an finanzielle Grenzen stößt.
Einen riesigen Posten nicht nur im kommenden, sondern auch in den folgenden Haushaltsjahren werden die Investitionen in neue Schulgebäude darstellen, die wegen der steigenden Schülerzahlen an allen Schulformen des Kreises unvermeidlich sind. Da sind wir uns alle einig. Hoffentlich sind wir uns auch darüber einig, dass für mehr Schüler:innen egal welcher Schule auch mehr Schwimmzeiten bereitgestellt werden müssen. Der Mangel wurde jetzt immerhin anerkannt. Sicherlich ist es richtig, bei der Abhilfe mit Sorgfalt zu planen und Gespräche mit den Kommunen zu führen, die als Schulträger oft das gleiche Problem haben. Aber ab einem gewissen Zeitpunkt muss man auch ins Handeln kommen. Wir weisen hiermit an dieser Stelle nochmals auf den Bedarf hin und erwarten, dass sich im Zuge der umfangreichen schulischen Baumaßnahmen gemeinsam mit den Kommunen Lösungen finden.
Ich habe letztes Jahr an dieser Stelle auf die Notwendigkeit eines energetischen Sanierungsplans für die Kreisliegenschaften hingewiesen und siehe da: Die Verwaltung ist tätig geworden und im Bauausschuss wurde uns eine ausführliche Untersuchung zur Erneuerung der Heizsysteme in allen Kreisgebäuden vorgestellt. Ergebnis: Der Einbau einer Wärmepumpe im Bestand ist in allen Fällen möglich und wirtschaftlich. Nach der Kontroverse um das Gebäudeenergiegesetz in diesem Jahrmag das einige erstaunen.
Wir beginnen in der Kreismusikschule mit dem Austausch der alten Heizung gegen eine Wärmepumpe, auch wenn das nicht so geplant war. Dem Klima gefällt`s und uns auch. Jetzt gilt es, sich zügig auf einen Sanierungsplan für die restlichen Kreisgebäude zu verständigen und damit einen der größten Brocken der direkten CO2-Emissionen des Kreises anzugehen.
Auch dafür müssen Fördermittel akquiriert werden. Natürlich ist das lästig und bindet Verwaltungskraft. Aber der fromme Wunsch des Landrates, den Kommunen doch einfach pauschal mehr Gelder zur Verfügung zu stellen und dafür keine Förderprogramme aufzulegen, erscheint mir doch etwas weltfremd. In einer perfekten Welt würden die Kommunen mit dem Geld vielleicht immer das Richtige tun. In unserer Welt ist aber der einzige Weg, Kommunen dazu zu bewegen, bestimmte Dinge zu tun, dafür Fördergelder zu zahlen, wenn man nicht an der kommunalen Selbstverwaltung rütteln will. Deswegen ist es richtig, das im Nachgang der Prüfung durch die Gemeindeprüfungsanstalt festgelegte Verfahren zu implementieren, um in allen Bereichen Fördermittel rechtzeitig zu beantragen, damit unsere knappen finanziellen Mittel geschont werden.
Dies wird auch erreicht, wenn Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, schneller die Aufnahme einer Arbeit ermöglicht wird. Nicht nur dazu brauchte es längst mehr Personal im Ausländeramt. Die Aufstockung um gleich 10 Stellen ist deswegen absolut richtig und die Personalkosten dafür sind nachrangig zu bewerten.
Dieser und der Personalaufwuchs der jüngeren Vergangenheit führen dazu, dass die Verwaltung schon aus schierer Raumnot unserem Ansinnen nach mehr Homeoffice für die Kreisbeschäftigten gezwungenermaßen nachkommt. Das gefällt uns natürlich viel besser als noch mehr Containerlösungen. Aber man käme möglicherweise etwas weniger unter Druck, wenn man schon 2021 unserem Antrag zu mehr Homeoffice in der Kreisverwaltung nachgekommen wäre.

Von unserer aufwändig erarbeiteten Nachhaltigkeitsstrategie hat es nur ein Projekt in den Haushalt geschafft, nämlich die Renaturierung des Rodebaches. Aber die gab es schon vor der Nachhaltigkeitsstrategie und damit sehe ich meine seinerzeitige Befürchtung bestätigt, dass vor allem bereits bestehende Vorhaben des Kreises ihren Weg in die Nachhaltigkeitsstrategie finden und nicht die Nachhaltigkeitstrategie zu neuen Vorhaben des Kreises führt.
Wenn wir es ernst meinen mit der Nachhaltigkeit, darf man in jedem Haushalt mindestens ein Vorhaben der Nachhaltigkeitsstrategie erwarten, das nicht vorher schon da war.

Aber Landschaftsschutz wie die Renaturierung des Rodebaches allein ist noch kein ausreichender Umwelt- und Klimaschutz. Neben der Heizungssanierung fällt uns da die erste Klimaschutzkonferenz des Kreises ein, die wohl eher folgenlos geblieben ist und aus unserer Sicht keine Impulse für mehr Klimaschutz im Kreisgebiet gegeben hat. Für die Zukunft wäre hier bei der Planung ein Ansatz zu bevorzugen, der die Zivilgesellschaft stärker aktiviert und dabei erkennbar Emissionseinsparungen im Alltag der Menschen anregt.
Das wäre dann u.a. die Aufgabe des neuen Klimaschutzmanagers des Kreises, der sich erst einmal einarbeiten muss. Wir begrüßen aber schon jetzt die Vorgehensweise, mit einem genauen Blick auf die Emissionen der einzelnen Sektoren im Kreisgebiet zu beginnen. Das ist der erste Schritt zu konkreten Reduktionszielen, die wir bis 2045 erreichen müssen.
Ein großer Beitrag zur Reduzierung der strombedingten Emissionen wird im Kreisgebiet zweifellos durch den Bau der Photovoltaikanlage auf dem Deponiegelände in Rothenbach erzielt werden, in die der Kreis kräftig investiert. Gleichzeitig wird hiermit viel Überschussstrom produziert werden, der für die Elektrolyse genutzt werden kann. So viel Geld auf einmal hat der Kreis noch nie für Klimaschutz ausgegeben, auch wenn es für den Kämmerer eher ein gutes Investment ist. In jedem Fall ist es ein gutes Beispiel dafür, dass sich Klimaschutz betriebswirtschaftlich rentiert, selbst wenn man die externen Kosten, die die Nutzung fossiler Energieträger verusacht, nicht gegenrechnet.
Zumindest dem Klima wird es auch helfen, wenn wir zusätzliche Flächen des Kreises wie z.B. Parkplätze zur Errichtung von PV-Anlagen für andere Investoren zur Verfügung stellen, was im ablaufenden Jahr ebenso auf uns zurückgeht wie die mögliche Nachpflanzung von Bäumen an Kreisstraßen.
Dass die Verwaltung nach der Verlesung der Antwort auf unsere Anfrage zur Katzenkastration fast 10 Jahre, nachdem wir das Thema erstmals in den Kreistag gebracht haben, einen Vorschlag für eine durchgreifende Lösung des Problems ankündigte, hat uns positiv überrascht, wissen wir aber ebenso wie die zwischenzeitlichen Informationen über den Fortgang ausdrücklich zu würdigen.
Das zeigt aber nur einmal mehr, dass die Dinge nicht besser werden, wenn man Anträge und Initiativen unserer Fraktion einfach ablehnt oder ignoriert. Das ist nicht nur im Großen so wie etwa beim Klimaschutzkonzept und beim ÖPNV, sondern auch bei den vermeintlich kleinen Dingen aus vergangenen Haushaltsjahren, die immer noch eine Baustelle darstellen.
Schade beispielsweise, dass die Bürger:innen des Kreises in dieser für uns alle herausfordernden Zeit keine Verbraucherberatungsstelle im Kreis zur Verfügung haben. Ich habe keinen Zweifel am großen Bedarf.
Ohne Ökomodellregion zu werden, stagniert die Zahl der ökologischen Landwirtschaftsbetriebe weiterhin, obwohl die Ackerfläche im Kreis Heinsberg besonders groß ist.
Und auch in diesem Jahr ist es mir nicht gelungen, von einem Gastronomiebetrieb im Kreis Heinsberg mit einem Mehrweggefäß statt Einwegverpackung beliefert zu werden, obwohl das laut Verpackungsgesetz möglich sein muss und der Kreis für die Einhaltung verantwortlich ist.
Wir haben natürlich geschaut, wo man im Haushaltsentwurf sinnvoll sparen könnte. Allerdings nicht bei der Bildung, was bisher eigentlich so etwas wie ein Grundkonsens im Kreistag war, der nun aufgekündigt scheint, wenn ich an das Innovationsprojekt “Grundbildung im Sozialraum” denke. Wir sind z.B. über die 180.000 Euro für die Erneuerung des Eingangs am Straßenverkehrsamt gestolpert. Aber da es hierbei auch um Barrierefreiheit geht, kommt eine Streichung für uns nicht in Frage.

Ähnlich verhält es sich mit der Erneuerung des Rondells vor dem Kreistagsgebäude und der Medienausstattung der Sitzungssäle. Nennenswerte Einsparpotenziale haben wir im Haushaltsentwurf nicht gefunden.
Deswegen, weil die Baustellen der letzten Jahre in diesem Jahr nicht noch größer geworden sind, im Haushalt hohe Investitionen im Bereich Klimaschutz und Bildung enthalten sind und wir überwiegend zufrieden mit der Beratung unserer Anträge sind, werden wir dem Haushalt 2024 zustimmen.

Da wäre noch eine Sache: Das Programm Come U25
Dass die Verwaltung hier Fakten schuf, den Träger des Programms vor den Entscheidungsträgern des Kreistags informierte und im Ergebnis eine Entscheidung der Politik vorwegnahm, ist nicht akzeptabel.
Als sich dann der Träger zu Wort meldete, hat meine Fraktion die Initiative ergriffen, um doch noch eine Lösung zu finden. Dabei fand dieses Thema auf Seiten der Mehrheitsfraktion immer noch keine Resonanz. Statt dessen stellte sie danach einen eigenen Antrag und inszenierte sich dabei als Unterstützer von Come U25, was der Antrag eben gerade nicht rechtfertigt. Die Zielgruppe des Programms zeitlich und qualitativ eher notdürftig von Verwaltungskräften des jobcenters betreuen zu lassen, kann nicht überzeugen.
Und was den Stil des Umgangs zwischen den Fraktionen auf Arbeitsebene angeht, lag die CDU mit ihrem Verhalten in dieser Frage auf einem der letzten Plätze in der Fair Play-Wertung.

Aber: Im Vergleich zu anderen Kommunalparlamenten ist das wahrscheinlich eine Kleinigkeit. In aller Regel arbeiten die Fraktionen im Kreis Heinsberg untereinander und mit der Verwaltung trotz aller Meinungsunterschiede konstruktiv zusammen. Der Umgang ist respektvoll. Wenn wir uns anschauen, mit welcher Härte mittlerweile Konflikte in und zwischen Gesellschaften ausgetragen werden, ist das ein hohes Gut, das wir als gute Demokraten bewahren sollten. Deswegen bedanken wir uns hiermit sehr gerne für die fast immer gute und fast immer angenehme Zusammenarbeit.

Damit schließe ich und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Jörg van den Dolder
Fraktionsvorsitzender

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